Hallo Oliver,
Hallo Forum,
Zuchtformen kann und sollte man kritisch gegenüberstehen, keine Frage.
Auch muss einem ganz persönlich das Eine oder Andere nicht gefallen. Über Geschmack lässt sich bekanntlich schlecht streiten.
Der zunehmende Nachzuchterfolg auch bei bisher "exotischen" Tieren wird die Mutationsrate zukünftig noch weiter hochtreiben. Ein Problem, mit dem sich auch Erhaltungszüchter sehr gewissenhaft auseinandersetzen sollten bzw. müssen.
Ich selbst habe keinerlei Probleme mit Mutationen und daraus resultierenden Zuchtformen.
1. bin ich sehr umfassend direkter Nutzniesser (Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Blumen, etc.) und 2. kenne ich mich ausreichend mit den "genetischen Spielregeln" aus, um die sie als Konsequenz menschlicher Zucht und Selektion zu akzeptieren.
Ich habe mir deinen PDF-File mal zu Gemüte geführt und möchte - bezogen auf den Red Parrot - dazu Stellung nehmen.
Dazu zwei Anmerkungen vorweg: 1. ich gebe
nur und ausschliesslich eigene Beobachtungen wieder, die ich an in Summe ca. 20 Exemplaren des Red Parrot gemacht habe.
2. mir gefallen Red Parrot
Die Definition beinhaltet einen gewaltigen Satz, der mir in seiner Aussage so nicht nachvollziehbar erscheint.
"zu Minderleistungen bzgl. Selbstaufbau, Selbsterhaltung + Fortpflanzung führen und sich in züchtungsbedingten ..... Veränderungen oder Verhaltensstörungen äussern, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind"
Im Einzelnen ....
Selbstaufbau: Ist das die Wachstumsrate? Ich züchte u.a. den Nigrofasciatum als Futterfisch. Dabei kommen Grössendifferenzen vor, die beeindruckend sind. Die grössten Jungfische bereits ca. 1 cm, die Kleinsten gerade mal 0,5 cm.
Sind jetzt die Kleineren Qualzuchten???
Selbsterhaltung: Was soll das heissen? Meine Parrots fressen, koten, wachsen. Ist das keine Selbsterhaltung?
Fortpflanzung: Reinerbig nicht möglich, ist bekannt. Trifft aber auf etliche Zuchtformen, auch im ausseraquaristischen Bereich zu. Zwei mir bekannte Beispiele: Black Velvet beim Chinchilla oder Dalmatiner-Meerschweinchen.
Mischerbig mit 1,0 "Wildchichlide" x 0,1 Parrot problemlos und äusserst ergiebig.
In diesem Zusammenhang -
Achtung 1. "Leidens"beobachtung: 0,1 Parrot wollte ein verpilztes Ei entfernen, bekam es aber nicht zu fassen und musste sich eine gute Minute mühen, bis das Ei platzte und somit wunschgemäss verschwand. Die Prozesur war langwieriger und mühsamer wie "normal". Die Frage ist, ob man wirklich von Leid sprechen kann?
Schmerzen, Leiden, Schäden: Wie erkennt man die??? Ich erkenne, wenn meine Parrots sich anmachen, "lieben", hungrig sind. Ich erkenne Flossen- und Schuppenverletzungen, wenn sie sich gelegentlich in der Wolle haben/hatten.
Schmerzen erkenne ich gar nicht und von Leiden kann ich bisher auch nur in 2 Fällen berichten, 1 x Fortpflanzung (siehe oben) + 1 x beschleunigte Atmung. Zum Letzteren später mehr ......
Unter "
Überlegungen im Hinblick auf §11 b TierSchG" wird auf eine maximale Länge von 15 cm hingewiesen, was dedinitiv falsch ist. Aktuell pflege ich eine 0,1 Parrot mit ca. 22 cm Länge, vor einigen Jahren einen 1,0 Parrot, der auf gute 35 cm heranwuchs und die prominentesten Vertreter "Citronella & Manni" von Axel sind - geschätzt - auch eher 30 cm wie 20 cm gross.........
Viele Individuen ruhen meist auf dem Grund: Habe ich bei Parrots noch nie gesehen. Wird bestimmt vorkommen, aber es gibt auch "Bauchrutscher" bei normaler Nachzucht, mir bekannt bei Labyrinthern und Lebendgebärenden. Entweder sterben sie früh oder müssen/sollten selektiert werden.
Wenn das bei Massenzuchten unterbleibt, ist das zwar Schade, aber sicherlich nicht nur an Parrots festzumachen.
Auffällig selbst in sauerstoffreichen Wasser im Vergleich zur Wildform beschleunigte Atmung: Kann ich nicht bestätigen. Ich habe fast 3 Jahre ein Paar, bestehend aus 1,0 A. citrinellum x 0,1 Parrot gemeinsam gepflegt. Trotz verengtem Maul hat die 0,1 unter
entspannten Verhältnissen nicht schneller geatmet wie der "Wildchichlide".
Ausnahmen -
Achtung 2. und einmalige "Leidens"beobachtung - sind
über Stunden anhaltende Revier- bzw. Rangkämpfe. Da kann man den Parrots nach stundenlangem Gerempel eine gewisse Kurzatmigkeit nicht absprechen. Inwieweit auch "Wildchichliden" kurzatmig werden unter solchen Bedingungen, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Meine daraus resultierende Empfehlung. Parrots nicht mit Paaren von "Wildchichliden" zusammen pflegen.
Infolge der erheblichen Missbildungen ist es Parrots unmöglich, ...... u.a. das Abspreizen der Kiemendeckel und Senken des Mundbodens .... sowie das Maulzerren: Mich interessiert doch sehr, wie die genannten "erheblichen Missbildungen" definiert sind. Es klingt ja abstossend und suggeriert einem zwangsläufig Ablehnung. Sollte das vom Autor gewollt sein?
Also, meine Parrots können drohen und Maulzerren, wenn auch nicht so ausgeprägt wie "Wildformchichliden". Das führt übrigens direkt zum nächsten Punkt, der ...
Verminderten intraspezifischen Aggression: Ein echtes Domestikationsmerkmal, welches sehr vielen Haustieren zu eigen ist. Der Einzelgänger Katze toleriert die unmittelbare Nähe von Artgenossen, oft genug lieben und brauchen sie es.
Oder das Huhn, das mit seinem natürlichen Aggressionspotential weder in grossen Herden noch in Legebatterien zu halten wäre.
Ich betrachte es als Anpassung an den "künstlichen Lebensraum" Aquarium und sehe das positiv.
Zum Letalfaktor habe ich weiter oben schon etwas geschrieben und was das Färben und Tätowieren mit dem Thema Qualzucht zu tun hat, entzieht sich immer noch meiner Kenntnis.
Das sind zwar quälerische Praktiken und eine Sauerei, aber sicherlich nicht an Qualzuchten gebunden.
Über fachliche und sachliche Stellungsnahmen und Antworten freut sich
Jon